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Tonbergbau aus Sicht von Eisenbahnfreunden

Anlässlich des erwarteten Besuches von (sehr) zahlreichen Gästen am 28.Dezember 2019 im Tonbergbaumuseum Westerwald in Siershahn, folgt hier eine Darstellung des Tonbergbaus im Westerwald aus Sicht des Eisenbahnfreundes Ulrich Neumann, die dieser auf der Seite des Eisenbahnarchiv Westerwald (www.eisenbahnarchiv-westerwald.de) veröffentlicht hat. Denn o.g. Besucher reisen mit einem historischen Sonderzug, gezogen von einer Dampflokomotive 52 1360 an (siehe auch: www.eftreysa.de)

Quelle: Bahnfreunde Treysa

Ulrich Neumann auf den Seiten des Eisenbahnarchiv-Westerwald (ohne Abb.):

Im Westerwald befindet sich das älteste und größte Tonbergbaugebiet Deutschlands, wenn nicht gar Europas. Das Kannenbäckerland nennt sich die Region zwischen Höhr-Grenzhausen, Hillscheid, Hilgert, Ransbach-Baumbach, Ebernhahn, Siershahn, Mogendorf und Wirges. Weitere bedeutende Tonvorkommen finden sich nordostwärts bis Westerburg und Langendernbach und darüber hinaus ins Dillgebiet, sowie in der Nähe von Weilburg.

Schon seit Jahrhunderten wird hier nach Ton gegraben. Kelten und Römer haben daraus Gebrauchs-, Zier- und Kultgegenstände hergestellt. Aufzeichnungen vom Tonabbau gibt es erst seit etwa 400 Jahren, als im 17. Jahrhundert die Gruben von den Landesfürsten steuermäßig erfaßt wurden. Das historische Kannenbäckerland umfaßte das Gebiet um Vallendar, Bendorf, Höhr, Grenzhausen, Hillscheid, Hilgert, und Baumbach. Dort wo der Ton oberflächlig zu Tage trat, wurde er in Mulden und Kauten abgetragen.

Später wurden Schächte von 1-1,5 m Durchmesser in den Boden getrieben. Es entstand der Reifenschacht, an dessen Sohle wurde der Schacht glockenartig erweitert. Der Glockenschacht war über Jahrhunderte die verbreiteste Art des Tonabbaus. Den Einsturz der Seitenwände sichert der Erdgräber mit der Umreifung von biegsamen Holzstämmen und Ästen. Über dem Schacht wurde eine Seilwinde, die Haspel, angebracht. Mit einem Kübel wurde der Ton nach oben gezogen und am Grubenrand gelagert. Gestochen wurde in Schollen. 1 Scholle wog 20 bis 30 Pfund, 5 Schollen = 1 Eimer = 1 Zentner. 10 Eimer = 50 Schollen oder 10 Zentner, füllten einen Wagen oder Karren. Für einen Wagen bekam der Tongräber 70-80 Pfennige Lohn (im 19. Jahrhundert). Hunderte von beladenen Wagen und Karren mußten über schlechte und holprige Wege (je nach Lage der Grube und Wetter 3-4 Stunden) nach Vallendar fahren um ein Schiff zu beladen. 300 Karren waren für eine Schiffsladung von ca 150 to Ton notwendig. Bis zur Eröffnung der Westerwälder Eisenbahn 1884 diente das Pferdefuhrwerk zum Transport des Rohtons. Die ersten Schächte wurden so tief gegraben, bis man auf abbauwürdigen Ton stieß. Nicht jede Tonsorte konnten die Kannen-, Krug- und Pfeifenbäcker zur Herstellung ihrer keramischen Produkte verwenden. Zudem wurden verschiedene Tonsorten gemischt, um ein brauchbares Ergebnis zu erzielen, im besonderen für die Steinzeugherstellung.

Mitte des 18. Jahrhunderts begann der Tonexport. Der wichtigste Warenumschlagort im historischen Kannenbäckerland war der Markt- und Hafenort Vallendar. Über spezielle Straßen, die Erdwege, wurde der Ton mit Ochsenkarren und Pferdefuhrwerken von den Gruben in die Rheinhäfen Vallendar und Bendorf transportiert. Auf Rheinschiffe verladen gelangte der Rohstoff bis nach Frankreich, Belgien, Holland, Schweden, England und Rußland.

Mittlerweile waren große Glockenschachtfelder entstanden, überwiegend im bewaldeten Gebieten wurde nach dem weißen Gold gegraben. Nach neuen Tonfeldern suchend, dehnten die Erdgräber ihre Tätigkeiten weiter in östliche Richtung aus. Die Schächte erreichten immer größere Tiefen (bis 24 m, später auch über 30 m). Die Arbeit war sehr gefährlich, durch einstürzende Seitenwände und Bergdruck kamen viele Tongräber ums Leben. Ab 1828 wurden die Betriebe durch die Bergämter im Herzogtum Nassau erfasst. Über Abbau, Beschäftigte und Ausbeute liegen Zahlen vor. 1828 waren etwa 25 Gruben mit 120.000-130.000  Zentnern in Ausbeute (davon 30-50% Export). 1846 waren es  50 Gruben mit 200.000 Zentnern, 1860 waren es 106 Gruben mit 347.000 Ztr. und 1863 gar 506.840 Ztr. wovon etwa 60% ins Ausland gingen (Ausland = außerhalb Nassau). Diese Zahlen gelten für die 4 Bergämter Diez, Dillenburg, Weilburg und Wiesbaden.

Ab etwa 1860 begann der Tagebau. Weiterhin gab es noch Glockenschächte, Stollenbau und Untertageförderung. Untertage wurden die hochwertigen, plastischen Tone bis ins 20. Jahrhundert abgebaut, wie z. B. Gernbacherwies, Frickhofen über Schrägstollen in 40 m Tiefe, Schachttiefbau Grube Richard, Niederahr, 2 Sohlen in 50 m und 60 m Teufe.
Mit Eröffnung der Westerwaldeisenbahn Engers-Siershahn-Altenkirchen und Staffel-Siershahn am 30. Mai 1884 begann die Industrialisierung im Tongeschäft. In der Nähe der Eisenbahnstrecken siedelten sich tonverarbeitende Firmen mit keramischer Produktion oder Aufbereitungsanlagen an.

Wichtige Kunden waren die Eisenindustrie, deren Verbrauch an feuerfesten und säurebeständigen Erzeugnissen ständig zunahm. Große Tagebaue entstanden in unmittelbarer Nähe, Gleisanschlüsse für die Tonverladung per Bahn entstanden überall im Kannenbäckerland zwischen Höhr- Grenzhausen, Siershahn und Wirges.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Feldbahngleise in den Tongruben verlegt. Pferdebahnen entstanden zum Zwischentransport, Bremsberge und Schrägaufzüge aus den Gruben. Um 1900 gab es die ersten Feldbahndampflokomotiven und ab 1920 erste Benzollokomotiven. Zum Tontransport kamen ab 1910 auch Seilbahnen in Verwendung. Auf die schwere Arbeit der Tongräber hatte diese Entwicklung noch keinen Einfluss. Wie in alten Zeiten waren Tonspaten, Hacke und Spieß das Arbeitsgerät. In den Tagebauen wurden jetzt in Kipploren (0,5 m³) oder Muldenkipper (3/4 m³) geladen. Mit Muskelkraft an den Bremsberg geschoben, mit der Seilwinde nach oben befördert. Zum trocknen kamen die Schollen in Darren, lange überdachte Schuppen ohne Seitenwände. Die Feldbahnen verschwanden ab ca 1970 nach und nach aus den Tongruben, lange Förderbänder übernahmen deren Aufgaben. Bagger, Raupenfahrzeuge und LKWs lösten die Handarbeit ab.

Literatur:

Tongräber im Westerwald/ K. D. Mayen, Selbstverlag 1985

150 Jahre Fuchs/ Dr. Franz Baaden, Firmenchronik 1988

Auf den Spuren des historischen Tonbergbaus im Kannenbäckerland/ Birgit Heuser-Hildebrandt, Selbstverlag 1995, ISBN 3-00-000148-4

Menschen unter Tage im Tonbergbau/ K. D. Mayen, Selbstverlag 1998

eisenbahnfreunde

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